Wer kennt es nicht: Ob im Verein, der kleinen Initiative, dem Projekt, der Partei oder einer verfassten Struktur wie Gewerkschaft oder Studierendenrat – überall werden Anträge gestellt. Da sind Anträge zur Änderung der Satzung, Wahlanträge, Bewerbungsanträge, Initiativanträge, Finanzanträge, Änderungsanträge, GO-Anträge, Anträge jeder Art und Couleur. Über die Sinnhaftigkeit verschiedener Anträge, deren zu erreichende Quoren oder Mehrheiten, die Art und Weise der Antragsstellung, den Antragstext in Orthographie und Grammatik wurde immer gestritten und wird es immer Meinungsverschiedenheiten geben. Einen Streitpunkt verstehe ich aber ganz und gar nicht: Lässt sich ein Antrag im Protokoll festhalten, ohne den Namen des Antragsstellers zu erwähnen?
Im Zuge der Datenschutz- und Transparenzdiskussion verstehe ich, dass darüber nachgedacht wird. Allerdings verstehe ich nicht, warum sich die Lösung so dermaßen schwer finden lässt. Für mich ist die Sache ganz einfach:
Handelt es sich um eine öffentliche Struktur und werden Anträge öffentlich behandelt, ist klar, dass auch der Antragssteller klar und deutlich zu erkennen ist. Das versteht sich nicht nur aus dem Transparenzgedanken heraus, sondern auch zur Missbrauchsvorbeugung.
Handelt es sich um eine öffentliche Struktur und einen Antrag mit geschlossener Sitzung, sehe ich dennoch kein Problem darin, den Antragssteller öffentlich zu nennen. Hier ist der Schutz vor Missbrauch ungleich größer, da geheime Anträge meist Finanzen und Personaldebatten behandeln.
Ist die Struktur nicht öffentlich, ergibt sich die Öffentlichkeit der Anträge aus dem Konsens der Struktur.
„Jaja, alles schön und gut, aber was sind denn nun öffentliche Strukturen und welche sind geschlossen?“ Diese Frage muss jede Struktur selbst entscheiden. Einige sind es per Gesetz, andere weil sie transparent sein wollen. Ich finde, dass jede Struktur des öffentlichen Lebens öffentliche Anträge behandelt: Kommunal-, Land- und Bundesverwaltungen, Betriebe des öffentlichen Dienstes, Parteien, Stiftungen und andere.
„Und was ist nun mit Datenschutz?“ Wenn ich einen Antrag an ein öffentliches Gremium stelle, bin ich mir dessen bewusst, dass dieser Antrag öffentlich ist. Mir fallen einfach keine Gründe ein, warum ich meine Anträge unter Pseudonym abgeben sollte.
„Ha, siehste. Das wollen aber einige, gerade weil innerhalb ihrer Strukturen Pseudonyme häufig Anwendung finden. Und damit ihr Pseudonym nicht mit ihrem Klarnamen in Verbindung kommt, soll der Klarname bitte geschützt bleiben.“ Ich glaube, da wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Hier geht es um den Schutz des Pseudonyms, nicht um den Schutz des Klarnamens. Denn der Klarname ist bekannt: Im Meldeamt, bei Versicherungen und Vereinen, beim Arbeitgeber und beim Hausarzt. Tatsächlich geht es darum, das Pseudonym zu schützen. Denn es ist einfacher mit Pseudonym und Spitzname unterwegs zu sein, seine Gedanken mitzuteilen und sich auszutauschen, ohne befürchten zu müssen, dass am nächsten Tag Telefonterror, Spamfluten oder Shitstorms auf einen einprasseln. Deshalb doch eher die Pseudonyme schützen als andersherum.
Mein Fazit: Klarname in der Öffentlichkeit bei öffentlichen Anträgen. Pseudonyme und Spitznamen zum Meinungs- und Gedankenaustausch, zur Planung des nächsten zivilen Ungehorsams und zum Kennenlernen in neuen Strukturen.
Eine Antwort zu “Namen in Anträgen oder nicht? Transparenz oder Datenschutz?”
Und die Frage: „Warum überhaupt Anträge namentlich einbringen?“ stellen sich offenbar noch weniger Menschen.
Dass ein Antrag nicht von alleine herangeflogen kommt, ist klar. Doch was bringt es, den Namen einer Person dazu zu schreiben? Damit diese sich später mit ihren angenommenen Anträgen präsentieren kann? Damit sich das entsprechende Gremium statt über den Antrag doch lieber über die individuellen Motive hinter dem Antrag befassen kann? Oder damit man am Ende einen Sündenbock hat, falls sich die Entscheidung im Nachhinein als ungünstig erweist?
Welchem Missbrauch lässt sich denn durch Klarnamennennung überhaupt vorbeugen? Und was bringt die Transparenz an dieser Stelle?
Im Endeffekt sind Anträge dazu da, eine Entscheidung eben gerade nicht einer Einzelperson zu überlassen – dafür gibt es Wahlen! – sondern diese gemeinsam zu fällen (ob nun durch Mehrheit oder Konsens ist hier unwichtig). Und da haben Namen keinen Mehrwert, führen im Zweifelsfall zu personell statt inhaltlich orientierten Ergebnissen („finde ich den Menschen toll, der den Antrag stellt“ anstatt „ist der Antrag sinnvoll“) und bevorteilen etablierte AntragstellerInnen gegenüber unbekannten Namen.
Wenn es zur Eingangsfrage nämlich keine befriedigende Antwort gibt, dann erspart das en passant auch gleich noch die Diskussion, welche Struktur nun wie öffentlich oder geschlossen ist.